Spieltag 19: Dramaturgie eines Spiels

TTV Neustadt : TTC Burrweiler  9:7

Wer ins Kino geht, ein Buch liest oder einfach nur einer Erzählung lauscht, der hat es bestimmt schon erlebt: Die Story plätschert gelangweilt vor sich hin, der Handlung fehlt einfach ein überraschender Wendepunkt oder es mangelt generell an rotem Faden. In diesem Fall empfehlen wir den Besuch eines Meisterschaftsspiels in der 1. Verbandsliga beim TTV Neustadt. Zur Prime Time versammelte sich dort am vergangenen Samstag unsere erste Equipe, um sich dem Abstiegskrimi gegen den TTC Burrweiler zu stellen. Beide Mannschaften lauerten bis dato punktgleich hinter Kreimbach-Kaulbach, mit dem Ziel diese vom Relegationsplatz zu verdrängen. Burrweiler hatte von den letzten fünf Spielen nur eines verloren (bei zwei Unentschieden) und auch der TTV befand sich mit zwei Siegen in Folge im Aufwind. Ein Sieg gegen einen direkten Tabellennachbarn würde also doppelten Wert haben.

Dies spürten auch die Zuschauer deutlich, als es zu Spielbeginn an die bevorstehenden Doppelbegegnungen ging. Die Luft in der Halle flirrte und die sonst so übliche Lockerheit in dem traditionellen Weinstraßen-Derby wich einer spannungsgeladenen und hochkonzentrierten Atmosphäre, bei der vor jedem Aufschlag der Atemrhythmus des Doppelpartners zum Metronom des eigenen Herzschlages gedieh. Zwischen den Ballwechseln wurde gejubelt, ge“tschot“ und geflucht, bis die Halle bebte. Inmitten dieser Stimmung duellierten sich Sebbi und Andy mit der Paarung Lerch/Richter, sowie Jürgen und Gerd mit Lischer/Speth. Die erstgenannte Begegnung lieferte gleich reinstes Material für ein vielversprechendes Drehbuch. Sebbi und Andy lagen bereits 2:0 Sätze zurück, nachdem sie der Kombi aus gefährlichem Material (Noppe/Anti) und Topspin-Klatschen regelrecht ausgeliefert waren. Nach taktischer Einstellung jedoch gelang den beiden noch der 2:2-Ausgleich. Im Entscheidungssatz riss dann der Faden, die TTVler lagen bereits mit 0:8 Punkten hinten. Trotzdem gelang ihnen dank mutigem Angriffsspiel eine verrückte Aufholjagd zum 9:9 – um dann schlussendlich mit 9:11 zu verlieren. Brutal und erbarmungslos ist dieser Sport. Brutal gut spielten Jürgen und Gerd, die das Burrer Paradedoppel Lischer/Speth mit 3:0 deklassierten. Eine Neustadter Doppelmixtur mit dem richtigen Mischungsverhältnis aus Block, Schuss und Topspin. Eine faustdicke Überraschung, die den Verlust des ersten Doppels wieder gut machte. In gleichem Tempo ging es zwischen Oli/Walde und Gärtner/Ackermann zur Sache. In fünf umkämpften Sätzen, bei denen die Gäste einen 0:2-Rückstand aufholten, holten die Neustadter mit einem konsequent angriffslustigen Entscheidungssatz das Spiel nach Hause. Zwischenstand 2:1 nach den Doppeln. Ein kurzes Durchatmen und geistiges Sammeln – dann folgte der zweite Akt.

Die Einzel versprachen einen weiteren Klimax, als Sebbi und Alex Lischer zum Schläger griffen. Beide spielen in der Regel kompromissloses Tischtennis und sind in Bestform kaum zu schlagen. An diesem Abend zeigten sie aber leichte Unsicherheiten. In Folge dessen konzentrierten sich die Duellanten auf sicheres Spiel und zwangen den Gegenüber aufgrund gefährlichen Anspielens immer wieder zu Fehlern. Sebbi hatte dabei die ruhigere Hand und siegte mit 3:1, sichtbar erleichtert. Zeitgleich zog Jürgen in den spielerischen Kampf mit Manu Lerch. Ein interessantes Spiel zwischen zwei ganz unterschiedlichen Spielertypen. Jürgen, mit konsequentem Spiel und klarer Linie auf der einen – Manu mit frechem und überraschendem Allroundspiel auf der anderen Seite. Jürgens Sturm und Drang führte sehr schnell zu einer 2:0-Satzführung, aber der Burrweiler Fighter zwang sich zurück ins Spiel und wendete diese mit 3:2 zu seinen Gunsten. Es sollte nicht das letzte Fünfsatzspiel mit besserem Ausgang für die Gäste werden.

Nach den ersten Herzschlagspielen sollte es keine weitere Verschnaufpause geben. Der Dramaturgie im Film ist dies methodisch durchaus zu wünschen, an diesem Abend gab es derlei keine. Etliche Ausdünstungen der konzentriertesten Art mischten sich zu explosiver Spielgewalt. So brachte sich Andy gegen Jürgen Speth in Stimmung. Die burrer Topspinmaschine lief an diesem Abend dermaßen heiß, dass Andy kaum zum Gegenzug kam. Erst durch geschicktes Anspiel kam er selbst zum Zug. Doch in einem wechselhaften Schlagabtausch behielt Speth die Nerven und siegte mit 3:2. Ein Spiel für die Lunge. Dann bekam es Oli mit Material-Mozart Torge Richter zu tun. Entweder gibt es Noppe oder Anti – beides ist verdammt unbequem und schmeckte dem TTVler nicht. Im ersten Satz kontrollierte Oli noch das Spiel, dann wurde Richter immer sicherer und rührte dermaßen Fett in die Bälle, dass jeder Topspin schlimmer zurückkam als versendet. 3:1-Sätze für den TTCler.

Dass Burrweiler nun mit 4:3 in Front ging, wollte das hintere Paarkreuz des TTV nicht auf sich sitzen lassen. Walde legte gegen Christoph Ackermann dermaßen los, dass sich selbst die Heimbank verwundert und erfreut die Augen rieb. Jeder Topspin saß, jeder Rückschlag kam mit viel Qualität auf die gegnerische Plattenhälfte. Ein sauberer 3:0-Erfolg war der verdiente Lohn. Da schlug das Neustadter Herz doch gleich viel schneller und auch Gerd nahm das seine in die Hand. Robin Gärtner gefiel das gar nicht, aber gegen das beharrliche Druckspiel des neustadter Energiewunders musste er mit 1:3 passen. Beeindruckend, wie Gerd das Ding zu Ende brachte. Der Vorsprung war nun mit einem Zwischenstand von 5:4 wieder hergestellt, aber immer noch verdammt knapp. Früh wurde klar, dass die Belohnung für beide Mannschaften in Form von griechischen Hauptspeisen weit nach hinten geschoben werden musste. An Essen war sowieso nicht zu denken, selbst die mitfiebernden Gäste schlugen jegliche Fütterung durch Körnernahrung aus.

In Durchgang Nr. 2 verlief es ergebnistechnisch ähnlich wechselhaft. Das Spitzenduell zwischen Sebbi und Manu Lerch geriet ebenfalls zu einer nervenzerreißenden Show. Beide Akteure klappten ihre Visiere komplett runter – Schupfen verboten. Die Halbdistanzrallies aus saftigen Topspins wollten nicht abnehmen, insbesondere der letzte Satz bot ein fernsehreifes Niveau. Zum Glück für Sebbi, der mit zunehmender Kontrolle beim Annehmen des Aufschlages keine einfachen Fehler mehr zuließ und mit 3:2 siegte. Nun war der noch nicht 100% genesene Jürgen an der Reihe, gegen Alex Lischer zeigte der Aufschlagsking einige Wahsinns-Gegentopspins und machte dem Gast das Leben schwer. Doch mit zunehmender Spieldauer machte sich seine noch fehlende Fitness bemerkbar. 3:1 für Lischer.

Jetzt lag es an Neustadt wieder nachzuziehen, und das glückte Andy recht ordentlich. Er bekam Torge Richters Spiel gut in den Griff und brachte dessen Schnittvarianten sicher auf den Tisch zurück. 3:0 in Sätzen. Gleichzeitig hieß es für Oli dem an diesem Abend spielstarken Jürgen Speth Paroli zu bieten. Wieder ging dessen Match in den Entscheidungssatz, wieder war jeder Ball umkämpft und kraftraubend, und wieder siegte der Burrer mit 3:2. Eine starke Leistung des Linkshänders. Das hintere Paarkreuz hatte nun die Chance, Richtung Zielgerade den Sieg einzufahren. Walde war gegen Robin Gärtner bereits auf bestem Wege, führte mit 2:1 und hatte das Spiel im Griff. Doch Gärtner steigerte sich noch einmal, und wieder ging das Spiel mit 2:3 an die Gäste. Es war zum Schreien. Zwischenstand 7:7.

Das Drama bahnte sich an, zwei Spiele waren noch offen. Das Einzel von Gerd und das Abschlussdoppel. Da wurde die ein oder andere Nussmischung als Nervennahrung geleert, die antreibende Schoko reingestopft und aufgrund unkontrolliertem Wasserreinführens das dritte Mal aufs Klo gerannt. Gestandene Männer suchten nach Kontrolle – auf beiden Seiten. Gerd bahnte sich seinen Weg an die Platte, zum Duell mit Christoph Ackermann. Anfänglich hatte der Burrer Probleme mit Gerds Spiel, kam dann aber immer besser zurecht. Nach 1:1 in Sätzen legte Gerd jedoch los: Die Rückhand umlaufend und gefühlvoll blockend kämpfte er sich von Punkt zu Punkt. Ein offenes Match, mit dem besseren Ende für den TTVler. Nun blieb noch das Schlussdoppel – der Showdown: Sebbi und Andy gegen Lischer/Speth. Das burrweiler Doppel ist eines der stärksten der Liga und als Links-Rechts-Kombi brandgefährlich. Die Neustadter kennen sich seit Jahren gemeinsamer Doppelspiele in und auswendig, wie in der Ehe. In der Halle herrschte mittlerweile Silencio wie bei Gary Cooper in „High Noon“ kurz vor dem Schuss. Dann ging es los und die Gäste feuerten aus allen Rohren. Gleich holten sie sich den ersten Satz – das hatte gesessen. Nervosität machte sich auf der TTV-Bank breit, zumal noch kein richtiges Rezept gegen die Burrer Buben gefunden war. Doch mit Unterstützung der Coaches und dem ungebremsten Anfeuern des Anhangs hielten die TTVler dagegen. Immer seltener retounierten beide die gefährlichen Services von Lischer ins Netz, blockten die seitspingeschwängerten Geschosse von Speth dagegen und immer öfter kamen sie selbst zum vielversprechenden Topspin. Nach dem Satzausgleich lief der Laden und die beiden Neustadter holten mit einem 3:1-Satzerfolg den Sieg für den TTV. Endstand 9:7. What a match!

Wie unmittelbar nach dem Spiel ist jetzt auch die Luft beim Schreiben raus. So ein Spiel kostet Energie, ist nervenaufreibend und schüttet einiges an Adrenalin aus – wir würden es immer wieder tun 😉

0 Kommentare

Dein Kommentar

Want to join the discussion?
Feel free to contribute!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert